Dipl.-Ing. Herbert Trauernicht, Gebäudemesstechnik
 

Wann ist der richtige Zeitpunkt im Bauablauf für den Blower-Door-Test?


Frage eines Lesers:

Sehr geehrter Herr Trauernicht,

auf Grund eines Vorkommens heute auf Arbeit bin ich im Internet bei der Suche nach "Blowerdoor" auf Ihre Seite gekommen und würde Sie gern etwas fragen. Ich selbst bin Dachdecker und war heute zufällig bei einem EFH zugegen, bei dem auf Wunsch des Bauherren eine Messung durchgeführt wurde. Ich fand es sehr interessant dies mal zu sehen. Nun noch möchte ich erwähnen, dass neben dem Bauherrn der Bauträger, ein Bausachverständiger und eben jemand für die Blowerdoormessung zugegen waren.

Also nun mal zu meiner Frage: Wie ich mitbekommen habe, wird diese Messung genutzt, um die Luftdichtheit nachzuweisen. Jedoch  hatte noch vor Beginn der Messung der Sachverständige eine andere Meinung als der Messtechniker. Leider so gewaltig, dass es doch schon etwas heftig war. Diese Unstimmigkeiten machten mich nun neugierig. Also es geht um die Luftdichte (Luftdichtheitsschicht), denn das Haus war bereits mit dem Trockenbau fertig.

Der Sachverständige war nun der Meinung, dass nun ja nicht mehr die Luftdichtheitschicht (er meinte die Folie) gemessen wird, sondern der Gipskarton. Er sagte, wenn der Trockenbau sorgfältig ausgeführt wurde und die Ecken noch mit Silikon abgedichtet sind, ist dieser Bereich eventuell dicht, aber darunter kann die Folie völlig defekt oder falsch verlegt sein und die Luft würde nur so hinter den Gipsplatten zirkulieren. Er wollte den gesamten Trockenbau entfernen lassen. Darauf hin meinte der Messtechniker, dass man sogar bewohnte Häuser messen könne und auch dort den N...(?)wert festlegen. Aus diesem Grund, dieser beiden unterschiedlichen Meinungen, würde ich gerne mal Ihre Meinung hören. Dies hat mich doch sehr interressiert und ich würde mich über eine baldige Antwort freuen. Bin zwar nur Dachdecker und habe davon keine Ahnung, aber irgendwie war dies doch interessant, diese beiden Meinungen zu hören, und nun würd ich gern etwas genauer wissen wollen, wer von beiden recht hat. Oder ist es am Ende doch etwas schwerwiegender?

Würd gern an dieser Stelle beenden, in der Hoffnung mal etwas von Ihnen zu hören.

Ihre Homepage ist super!! werd sie mir nun genauer ansehen.

Mit freundlichen Grüß en ...

Meine Antwort:

Sehr geehrter Herr ...,

Ihr Interesse hat mich sehr gefreut.

Die Antwort ist in der Tat nicht einfach zu geben.

Die Luftdichtheitsschicht ist nach DIN 4108-7:2001-08 " eine Schicht, die Luftströmungen durch Bauteile hindurch verhindert" .  

Weiter kann man der Norm entnehmen:

Der Planungsbedarf für die Luftdichtheitsschicht wird besonders betont.

Weiter werden in der Norm folgende Planungsempfehlungen gegeben:

Der Planer muss also die Luftdichtheitsschicht festlegen.  Wenn der Planer die Folie als Luftdichtigkeitsschicht definiert hat, was üblich und sinnvoll ist, so muss diese auch die Luftdichtigkeitsanforderungen erfüllen. Ob diese alleine wirklich die  Anforderungen erfüllt, sollte man gemäß Normaussage zweckmäß igerweise mit einer " begleitenden überprüfung" überwachen (siehe Punkt 6, " Planungsempfehlungen" , zweitletzter Absatz).

Dies ist jedoch nicht der Zustand des Hauses, auf den sich die Grenzwerte für den gemessenen n50-Wert beziehen. Grenzwerte werden  in der genannten Norm und der Energieeinsparverordnung 2002 genannt.

Die Grenzwerte beziehen sich ausdrücklich auf den " Fertigzustand" . Daher ist es richtig, dass man auch bei einem bewohnten Haus den n50-Wert noch ermitteln kann. Der im Fertigzustand  ermittelte n50-Wert gibt aber nur noch bedingt Auskunft über den Zustand der Luftdichtheitsebene.

Konsequenterweise müsste man zwei Messungen durchführen, eine zu einem möglichst frühen Zeitpunkt (nur Folie mit Lattung, keine Innenbekleidungen) und eine zweite Abschlussmessung, die am besten kurz vor dem Einzug durchzuführen ist.

Die erste Messung ist aus meiner Sicht die wichtigere, weil man dort misst, was man tatsächlich wissen möchte. Auch ist es zu diesem Zeitunkt noch ohne groß en Aufwand möglich, Fehler zu korrigieren.

Die zweite Messung dient nur noch der überprüfung des Endergebnisses der Luftdichtheit. Diese Messung kann man als Nachweis im Sinne der Energieeinsparverordnung verwenden.

Der Verordnungsgeber hat sich wohl zu dieser Lösung entschieden, weil ein fertiggestelltes Haus eindeutig definiert werden kann.

Aus dem Obigen ergibt sich, dass irgendwie beide Recht hatten. Man hätte lieber darüber diskutieren sollen, welche der beiden beschriebenen Messungen nun denn erfolgen sollte.

Ich hätte mich als Blower-Door-Messer über die Ansicht des Gutachters gefreut! Mit der Meinung, dass eine Luftzirkulation zwischen Folie und Rigipsplatten strömen könnte, hat er recht. Diese Luftbewegung würde die Dämmwirkung der Dämmung stark beeinträchtigen.

Dazu noch ein Bild:

 

Fazit aus dem obigen Bild: Die Dämmwirkung wird durch Luftströmungen durch die Luftdichtheitsebene sehr stark beeinträchtigt.

Man muss übrigens die Rigipsplatten für den nachträglichen Test der Luftdichtigkeitsschicht nicht komplett entfernen. Man kann mit einer Lochsäge so lange kreisrunde Löcher in die Rigipsplatten bohren, bis sich hinter den Platten Innendruck einstellt. Das kann man auch daran erkennen, dass das Messergebnis danach nicht mehr steigt. Die ausgesägten Scheiben kann man nachher leicht wieder einsetzen. Es gibt Messkollegen, die diese Methode anwenden.

Nochmals vielen Dank für Ihr Interesse. Wenn Fragen offen geblieben sind, bitte zurückfragen.

Mit freundlichem Gruß

Herbert Trauernicht

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Dipl.-Ing. Herbert Trauernicht
vom FLiB zertifizierter Prüfer der Gebäudeluftdichtheit im Sinne der Energieeinsparverordnung
Gebäudemesstechnik
Eddenwiese  11
31319 Sehnde
Tel.: 05132-93728
  E-Mail: htrauernicht@luftdicht.de
Internet: www.luftdicht.de
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Anfrage beim Leser:

Sehr geehrter Herr ...,

Ihre Fragestellung finde ich so allgemein interessant, dass ich sie (zumindest auszugsweise) und die Antwort gerne auf meiner Internetseite unterbringen würde. Wären Sie damit einverstanden? Wenn Sie möchten, kann ich ja Ihren Namen herauslassen.

Konnten Sie mit der Antwort etwas anfangen?

Mit freundlichem Gruß

Herbert Trauernicht

Antwort des Lesers:

... Ich habe heute nachgefragt wegen der erwähnten Messung. Das Haus hatte einen n50- Wert von 7,4. Ich glaub das heiß t " totaler Pfusch" .

Sehr geehrter Herr Trauernicht, sie können die Frage gerne veröffentlichen, wenn Sie den Namen weglassen würden wäre es mir sehr lieb.

Mit freundlichen Grüß en ...

Hinweis eines Lesers:

Sehr geehrter Herr Trauernicht,

bei dem Brief an den Dachdecker hätte ich noch darauf hingewiesen, dass die Grenzwerte dauerhaft einzuhalten sind. Wenn die Gipskartonplatten zur Zeit der Abnahme zwar die Grenzwerte sichern, muss das zum Ende der Gewährleistungszeit nicht mehr der Fall sein. Deswegen ist es auch im Interesse des AN schon vor der Verkleidung die Luftdichtheit zu messen.

Durch Bauwerksbewegungen verliert nämlich die starre Verkleidung einen Teil ihrer Dichtfunktion.

Mit freundlichen Grüß en
Jochen Ebel

Danke für die Ergänzung, Herr Ebel!